Ich kam auf der Burg Wilbring nahe der Bauernschaft Elmenhorst zur Welt. Zum Leidwesen meiner Eltern blieb ich jedoch das einzige Kind. Einander achtend und in Liebe zugetan, war es deshalb für meinen Vater unvorstellbar, Bastarde zu zeugen. Aus diesem Grund machten meine Eltern die Not zur Tugend und ließen mir eine umfassende Ausbildung zukommen. Unser Burgkaplan brachte mir Lesen, Schreiben und vor allem das Rechnen bei. Der Stallmeister meines Vaters lehrte mich das Reiten und von Jaques, unserem Burgkoch, lernte ich die Sprache der Normannen.

 

Eines jedoch wurde mir verwehrt: die Ausbildung an den Waffen. Je inniger ich meinen Vater bekniete, um so mehr verweigerte er sich. Seiner Meinung nach war ich durch die Beherrschung der Schreib- und Rechenkünste, gerade als Frau, schon gefährlich genug. Doch eigentlich hätte er mich besser kennen sollen. Abgesehen von einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, Treue, Hilfsbereitschaft und dem rechten Glauben, vererbte mein Vater mir auch seinen westfälischen Dickschädel. So machte ich mir meinen Einfallsreichtum zu Nutze und schrieb für die Knappen Gedichte und Minnelieder. Im Gegenzug unterrichteten sie mich heimlich mit dem Schwert. Wie gut sie daran taten, sollte sich noch herausstellen.

 

Es waren unsicher Zeiten. Zwar heiratete ich und bekam zwei wundervolle Kinder, doch mein Mann verstieß mich wegen einer italienischen Bankierstochter. Ich floh zurück auf die elterliche Burg Wilbring. Wie sich herausstellte, kam ich zur rechten Zeit, denn mein Vater, schon im betagten Alter, brauchte Hilfe bei der Verwaltung seiner Bauernschaften. Wir waren Pfandbesitz der Grafen von der Mark. Die Landeshoheit lag dagegen bei Kurköln. Allesamt Halsabschneider. Nicht selten waren Steuereintreiber bei uns “zu Gast” und nicht selten gab es Streit. Angeblich hätten wir des öfteren zu wenig Steuern abgeführt. Dies entsprach nicht der Wahrheit. Nun ja, nicht ganz, doch mein Vater und auch ich weigerten uns, unsere Bauern ausbluten zu lassen. Ich rechnete immer genau und das was “fehlte” tat dem Erzbischof nicht weh und sicherte vielen Bauern aber das Überleben in den kalten Wintern. Dies sprach sich in den Bauernschaften herum und unsere Untergebenen dankten uns dies von Herzen.

 

Nach dem Tod meiner Eltern führte ich die Verwaltung weiter. Die Anfeindungen des Erzbischofs von Köln wurden jedoch immer heftiger, da ich mich standhaft weigerte, mir einen neuen Gemahl zu nehmen. Jeden Anwärter, den der Erzbischof präsentierte, schickte ich ihm wieder zurück. Unter dem Vorwand der Gerechtigkeit, zur Vergeltung der falschen Steuerabgaben, ließ der Erzbischof meine elterliche Burg niederbrennen. Das allein kann nicht der Grund gewesen sein, denn die Steuern in der richtigen Höhe an den Erzbischof abzuführen, dies taten weder die Ritter zu Dortmund, noch die zu Schwansbell. Aber wie heißt es:"Das Schicksal ist unausweichlich!"

 

Durch die Hilfe meiner Getreuen gelang mir und meinen beiden Kinder die Flucht vor dem Klerus. Ratlos, wohin ich mich wenden sollte, kam mir eine Geschichte von Jaques in Erinnerung. Er erzählte mir von einem starken Normannen, geboren als Bastard, der auszog, um König von England zu werden. Ob dies eine Legende war oder doch die Wahrheit, war mir in diesem Moment egal. Ich verließ meine Heimat in Richtung Norden.

 

Nach einer langen und gefährlichen Reise begegnete ich den “Drachen”. Sie gaben mir und meinen Kindern Obdach und wir durften uns ihnen anschließen. Zwar ist es verboten, Frauen den Umgang mit Waffen zu lehren, doch die Drachen gaben meinem Bitten und Drängen nach. Sie unterwiesen mich im Führen des Langschwertes. Auf das Langschwert folgte die Axt und darauf das Sax.

 

Das ist meine Geschichte, wie ich zum “Drachen zwischen den Meeren” gekommen und bei ihnen geblieben bin.

 

Gelobt sei der Herr, mein Fels, der meine Hände kämpfen lehrt und meine Fäuste, Krieg zu führen. (Psalm 144)